Die Politik hat sie enttäuscht- doch Halloween feiern sie immer noch voller Begeisterung. In Coldwater, einer kleinen Stadt in Michigan, sitzen Mary und Kent Richards vor ihrer Haustür, frierend, mit einer großen Schüssel voller Süßigkeiten auf dem Schoß. Immer wieder kommen bunt kostümierte Kinderscharen jeden Alters vorbei, wechseln ein paar Worte mit den beiden Rentnern und bekommen eine handvoll Bonbons in die Tasche gesteckt. Trotz des eisigen Windes und der kalten Hände sind beide Seiten gut gelaunt dabei. Ganz anders sieht das bei der Politik aus.
Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in Amerika sind die Richards weder von Mitt Romney noch von Barack Obama sonderlich begeistert. „Ich mag sie beide nicht, es wird eine schwere Entscheidung. Aber ich werde auf jeden Fall wählen gehen, denn ich habe eine Wahl, und wenn ich nicht wähle, habe ich keine“, erzählt Mary. Deshalb habe sie auch, anders als einige ihrer Nachbarn, keine Plakate für einen der Kandidaten im Vorgarten stehen. „Wen ich wähle, überlege ich in meinem Kopf, das muss ich nicht allen zeigen“.
Auch John Milock will keinen der beiden führenden Kandidaten wählen. Er sitzt mit seinem Freund auf der mit Spinnenweben verhängten Veranda, die Gesichter der beiden sind blutig bemalt. „Romney und Obama lügen ohne Ende. Obama ist nicht ganz so schlimm, er erzählt vielleicht eine Lüge pro Minute weniger.“ Der 31-Jährige wird Gary Johnson, einen unabhängigen, libertären Kandidaten wählen. Dieser hat, da er weder den Demokraten noch den Republikanern gehört, eigentlich keine Chancen.
Doch wenn man mit einigen Amerikanern redet, ist der Eindruck ein anderer, denn viele wollen keinen der beiden führenden Kandidaten als neuen Präsidenten sehen. Das gilt auch für Kelly Murphy. Die 28-jährige Kellnerin aus Mishawaka in Indiana wird Gary Johnson wählen, weniger aus Überzeugung als aus Verzweiflung: „Wir brauchen eine neue Richtung, es kann so nicht weitergehen!“ Welchen Weg das Land einschlagen muss, ist auch ihr nicht klar, doch sie glaubt, dass Gary Johnson das kleinere Übel ist. Besonders mit Obama ist sie nicht zufrieden, da sie in den letzten vier Jahren keinerlei Fortschritt gesehen hat: „Mein Einkommen ist stark gesunken, mit jeder Woche wurde es weniger. Mittlerweile brauche ich zwei Jobs“. Diesen Rückgang bemerkt man besonders in der Gastronomie, es kommen immer weniger Leute, und wenn doch mal jemand kommt, isst er weniger, da er es sich einfach nicht leisten kann.
Süßes oder Saures- bei Halloween fällt die Entscheidung leicht. Bei der Wahl ist es jedoch für viele Amerikaner schwer, zu entscheiden, was süß und was sauer ist.
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