Liveblog US-Wahl 6. November 2012

Obama vor einem seiner Headquarter am Hyde Park, Chicago.

Heute ist der große Wahltag in den USA – und ich bin live in Chicago dabei. Für alle, die das nicht sind, gibt es hier ein Liveblog –  damit auch jeder weiß, was bei der Präsidentschaftswahl in Amerika gerade los ist.

Ach ja, alle Zeiten sind die Ortszeiten in Chicago (Amerikas Central Time), wenn man sieben Stunden drauf rechnet hat man die Zeit in Deutschland. Also werde Ihr wohl in der Schule sein, wenn hier die Entscheidung fällt.

9:30 Ortszeit:

Barack Obama besucht sein Headquarter im Hyde Park, Chicago, und winkt MIR zu! Okay, auch den zehn anderen, die mit mir auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen, und versuchen, über die Autos vom Secret Servive einen Blick auf den Präsidenten zu erhaschen und seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Dank sehr lauter „Obama!“- Rufe funktioniert das dann auch, er wendet sich zu uns hin und winkt tatsächlich. Die Leute sind begeistert, lachen, schreien, und winken natürlich wild hüpfend zurück- genau wie ich.

Ein kleines Video zu dem Besuch im Wahlkampfbüro gibt es hier.

11:00 Uhr Ortszeit:

Wir machen in Obamas ehemaligem Viertel im Süden von Chicago eine Pause für ein Frühstück.

Bei einem kleinen Rundgang durch Hyde Park merkt man seine Präsenz deutlich, zum Beispiel bei der Einladung zur Wahlparty beim „offiziellen Friseur der Präsidenten“.

Oder auch bei diesem Sein mit einer Geschichte über Baracks erstes Date mit Michelle (Foto rechts).

10:00 Uhr Ortszeit:

In der Sporthalle der Grundschule, in der Obama vor vier Jahren seine Stimme abgegeben hat, haben sich einige Wähler eingefunden. Der größte Andrang herrschte jedoch am frühen Morgen, denn die Amerikaner wählen an einem ganz normalen Arbeitstag. Der Präsident selber hat schon per „Early Voting“ vor ein paar Tagen seine Stimme abgegeben. Die anderen Wähler wählen heute nicht nur den Präsidenten, sondern unter anderem auch jede Menge Richter, Polizeichefs und Schulräte – daher ist der Wahlzettel ziemlich lang.

15:00 Uhr Ortszeit:

Die Election Night kann beginnen! Wir sind im Pressezentrum des McCormick Place in Chicago, wo heute abend die große Wahlparty stattfinden wird, falls Obama gewinnt.

Auf dem Presseparkplatz (Foto rechts) stehen unzählige Übertragungswagen mit riesigen Satellitenschüsseln, vor dem Parkplatz der Security Service. Da müssen wir auch mit unserem roten Jeep durch.

Nach der Autoüberprüfung, bei der nicht nur die Motorhaube geöffnet und das Auto von unten abgesucht wird, sondern auch Hunde einmal durchschnuppern, sind wir auf dem Parkplatz. Der Kommentar des Sicherheitsmenschen zum Hund, als der bei uns nichts gefunden hat, war übrigens: „Nichts drin? Naja, vielleicht ist im nächsten was“.

Im Gegensatz dazu ist die eigentliche Personenkontrolle eher gering, der Presseausweis reichte, dann noch schnell durch die Durchleuchtemaschinen, alle elektronischen Sachen anmachen und Tasche durchsuchen, dann sind wir drinnen.

Der McCormick Place ist ein riesiges Kongresszentrum, die Pressehalle erinnert an ein gut beheiztes Parkhaus. Überall sind Tische mit Licht und Stromanschluss aufgestellt, wo dir Journalisten sitzen und auf die ersten Ergebnisse warten.

Gleich nebenan ist ein großer Bereich für die Fernsehleute abgetrennt, mehrere große Fernseher halten auf dem Laufenden. Leider nutzen mittlerweile so viele den bereitgestellten Internetanschluss, sodass es zum Ärger aller Journalisten immer langsamer wird.

16:30 Uhr Ortszeit:

Ein kleiner Rundgang durch das Gebäude zeigt: Die Halle ist unglaublich riesig! Und bis jetzt noch unglaublich leer. Obwohl die Deko schon hängt, das Rednerpult aufgebaut ist und eine große Tribüne voller Kameras bereitsteht, ist immer noch sehr, sehr viel Platz.

Vor der Halle gibt es Essen zu kaufen und einen riesigen Obama-Stand, den ich gleich noch mal genauer in Augenschein nehmen werde. Als wie mit einer Brezel zurückkommen, werden wir ziemlich schnell von anderen Journalisten umringt, die alle wissen wollen, wo wir das Essen herhaben.

Kurz danach gebe ich mein erstes Interview an irgendeine mexikanische Zeitung, deren Journalisten mit uns am Tisch sitzen. Die wollten wissen, wie wichtig die Wahl für Deutschland ist und wen wir favorisieren. Ich hab mal erzählt, sehr wichtig, und alle sind für Obama, weil er ein Mann für die Leute ist, und dass Romney eigentlich keiner mag, weil er so kalt erscheint und man den Eindruck hat, es ginge ihm nur ums Geld. Ich hoffe mal, ich hab da auch für euch gesprochen 😉 Hier ist übrigens der Link zu dem (leider spanischen) Artikel.

Jetzt warten alle auf die ersten Ergebnisse aus Indiana und Kentucky, die ihre Wahllokale um sieben Uhr schließen.

18:30 Uhr Ortszeit:

Das Internet ist mittlerweile so überlastet, dass gar nichts mehr funktioniert. Das heißt, keiner weiß, was eigentlich los ist, und keiner kann mehr arbeiten.

Da wir eh nichts zu tun haben, machen wir uns noch mal auf einen Rundgang, wo wir dann erfahren müssen, dass wir bei der Siegesfeier weder auf die Tribünen noch in die Halle können, also überhaupts nicht sehen werden. Kurz gesagt: Unser Medienausweis bringt uns den Vorteil, dass wir nichts mitkriegen, nicht arbeiten können und nicht nur keine bessere, sondern überhaupt keine Sicht haben. Super!

19:30 Uhr Ortszeit:

Da sich die Internetverbindung immer noch nicht verbessert hat und wir seit Stunden sinnlos rumsitzen, beschließen wir, unser Glück woanders zu versuchen.

Als wir McCormick Place verlassen, führt Romney übrigens mit 33 zu 3 Wahlmännern.

20:00 Uhr Ortszeit:

Unsere neue Location ist der oben schon erwähnte „official barbershop of the President“. Hier ist es perfekt, man ist unter Leuten, kann die Wahlergebnisse im Fernsehen verfolgen und es gibt auch noch Essen.

Einziger Nachteil: Es ist viel zu voll, um irgendwie mit dem Laptop zu hantieren. Deshalb gibt es jetzt hier keine genauen Daten, wer wann welchen Staat wie hoch gewonnen hat. Das könnt ihr aber alles nachgucken, zum Beispiel hier.

20:30 Uhr Ortszeit:

Aus dem Barbershop wird live im lokalen Radio gesendet, alle schreien und jubeln, danach gibt der Besitzer übers Mobiltelefon ein Interview.

Mittlerweile holt Obama langsam auf, Romney führt allerdings immer noch mit knapp 20 Wahlmännern.

Um alle in die richtige Stimmung zu bringen ist mittlerweile auch jemand da, der allen, die wollen, Obama-Symbole auf die Wange, die Lippen oder auch die Glatze pinselt. Ich will natürlich!

Der ganze Friseursalon wimmelt nur so von Obama-Fotografieren, natürlich alle signiert. Im Eingangsbereich steht der Stuhl, auf dem Obama sich angeblich 25 Jahre lang die Haare schneiden ließ.

Nebenbei erfahren wir, dass der Präsident das letzte Mal vor einem knappen Monat da war und sich für 20 Dollar die Haare schneiden lassen hat.

21:30 Uhr Ortszeit:

Bald müsste ein Sieger feststehen, noch ist aber unklar, wer. Tendenz liegt allerdings bei Obama. Damit wir auch ja pünktlich zur Siegesfeier kommen, machen wir uns wieder auf den Weg zum McCormick Place. Aber diesmal nicht zum Presseeingang, sondern zum ganz normalen Gästeeingang, wo schon eine riesige Menge darauf wartet, in die Halle zu kommen.

Das tuen sie allerdings nicht leise, sondern johlend und jubelnd. Zwischendurch werden immer wieder lautstark die neuesten Vorhersagen oder Ergebnisse ausgetauscht: „He got Iowa! Unbelievable!“ Der Mann hinter uns singt leise „These are the days of miracle and wonder, this is the long distance call“ aus dem Lied „The Boy in the Bubble“ von Paul Simon.

Jeder ist begeistert und euphorisch, einige rennen singend und springend durch die Flure.

22:00 Uhr Ortszeit:

Wir sind in der Halle. Jetzt heißt es hoffen und warten, bis es einen neuen Präsidenten gibt. Der Saal füllt sich langsam, es wird immer enger und vor allem immer wärmer. Das stört aber keinen, die meisten merken es wahrscheinlich noch nicht mal. Auf den riesigen Bildschirmen werden immer wieder die neuesten Ergebnisse angezeigt, jeder Sieg für Obama wird lautstark bejubelt. Viele Leuten tanzen vor lauter Begeisterung in der Menge.

23:00 Uhr Ortszeit:

Mittlerweile steht es so gut wie fest: BARACK OBAMA IST DER NEUE PRÄSIDENT DER VERINIGTEN STAATEN VON AMERIKA!

Sobald die Bildschirme in der Halle zeigen, dass Obama die 270-Wahlmänner-Marke überschreiten, bricht Jubel aus. Alle schreien, klatschen, schwenken ihre Fahnen.

00:00 Uhr Ortszeit:

Gouverneur Mitt Romney gesteht vor seinen Anhängern offiziel seine Niederlage ein, dankt seinen Mitarbeitern, gratuliert Obama zum Sieg und wünscht ihm alles Gute. Im McCormick Place in Chicago wird die Rede mit Interesse verfolgt und je nach Aussage von Jubel oder Buh-Rufen übertönt.

00:35 Uhr Ortszeit:

Der wiedergewählte Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle und die beiden Töchter Sasha und Malia betreten die Bühne. Tosender Lärm bricht los, alle zücken ihre Handys, Kameras, iPads.

Nachdem alle eine Weile in die Menge gewunken haben, beginnt der Präsident zu sprechen. Er bedankt sich besonders bei seiner Frau Michelle und dem Vizepräsidenten Joe Biden, aber auch allen freiwilligen Helfern. Dann spricht er darüber, wie wichtig diese Wahl für Amerika ist. Zum Schluss sagt er einen Satz, den man schon öfters von ihm gehört hat:

„I have never been more hopefull about our future. I have never been more hopefull about America!“

Den ganzen Text der Rede gibt es hier.

01:00 Uhr Ortszeit:

Barack Obama hat seine Rede beendet. Viel gehen schon dem Ausgang zu, um noch irgendwie hinauszukommen. Doch nun kommen noch die engsten Mitarbeiter und Familienmitglieder des Präsidenten auf die Bühne. Plötzlich wird eine große Wolke von Glitzerregen in die Halle geschossen, der Präsident beendet seinen Auftritt glanzvoll.

03:25 Uhr Ortszeit:

Zum Glück ist unser Auto, dass wir in aller Eile fast direkt vor dem Eingang des McCormick Place abgestellt haben, nicht abgeschleppt worden. Im Hotelzimmer geht es gleich wieder an den Laptop – denn hier funktioniert das Internet tadellos.

So, alles nachgetragen, jetzt geht es endlich ins Bett.

Noch mehr Fotos gibt es hier hier

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2 Antworten zu Liveblog US-Wahl 6. November 2012

  1. Imke Blacha schreibt:

    Wie cool! *.*

  2. Reinhold Blacha schreibt:

    Hallo Elle,
    super toll geschrieben! Viele Grüße aus Bergisch Gladbach
    Reinhold

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